Betreff
Flussgebietsuntersuchung Talgraben und
Kommunales Starkregenrisikomanagement
Hier: Vorstellung der Projektergebnisse und des Handlungskonzepts
Vorlage
8267 öff
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Infolge des Starkregenereignisses am 26.07.2016 hat der Gemeinderat das Ingenieurbüro Heberle (IBH) aus Rottenburg am Neckar beauftragt, ein Hochwasserschutzkonzept im Bereich des Talgrabens sowie ein Starkregenrisikomanagement für die Gemeinde Dettingen an der Erms zu erarbeiten.

 

Beim Starkregenrisikomanagement wird für das gesamte Gemeindegebiet das Abflussgeschehen außerhalb eines Gewässers (das sogenannte wild abfließende Oberflächenwasser) und der kleinen Seitengewässer und Gräben rechts und links der Erms, die sich durch kleine bis sehr kleine Gewässereinzugsgebiete kennzeichnen, untersucht. Die Grundlagen zur Durchführung eines Starkregenrisikomanagements sind landesweit in einem Leitfaden vorgegeben.

 

Bei der Flussgebietsuntersuchung Talgraben ist aufgrund des Einzugsgebietes von über 4 km² eine methodisch andere Vorgehensweise anzuwenden, um das Abflussgeschehen realistisch abbilden zu können.

 

Für beide Untersuchungen liegen nun die Ergebnisse in Form von Überflutungskarten und Maßnahmenvorschlägen vor. Für die Umsetzung der vorgeschlagenen sowohl baulichen / technischen als auch organisatorischen / administrativen Hochwasserschutzmaßnahmen (Handlungskonzept) werden sowohl die Flussgebietsuntersuchung als auch das Starkregenrisikomanagement gemeinsam betrachtet:

 

-       Information der Öffentlichkeit über die Starkregengefahrenkarten bzw. Überflutungsflächen

-       Aufstellen eines Hochwasseralarm- und Einsatzplans

-       Umsetzung baulicher Maßnahmen

 

Für die Umsetzung der baulichen Maßnahmen folgt im nächsten Schritt die Ausarbeitung eines Gesamtkonzeptes, das alle Maßnahmen abbildet und entsprechend ihrer Priorität mit einem Umsetzungszeitraum verbindet. Dies ist Voraussetzung für die finanzielle Förderung der Einzelmaßnahmen für die kommenden 8 bis 10 Jahre.

 

 

Die wesentlichen Inhalte und Ergebnisse der Flussgebietsuntersuchung Talgraben und des Kommunalen Starkregenrisikomanagements sind nachfolgend kurz zusammengefasst. Herr Heberle, Ingenieurbüro Heberle, Rottenburg, wird in der Sitzung die Projektergebnisse und das Handlungskonzept vorstellen.

 

 

Flussgebietsuntersuchung Talgraben

(Auszug aus dem Erläuterungsbericht, IBH, September 2019)

 

Über die aus dem hydrologischen Modell ermittelten Hochwasserabflüsse wurden die Wasserspiegellagen und in Verbindung mit den Geländedaten Überschwemmungs-flächen am Talgraben berechnet. Am Dettinger Talgraben besteht bereits ab HQ10 ein Gefährdungspotenzial. Eine weitere Gefährdung besteht durch Starkregen verursachten Oberflächenabfluss, der von den ortslageumschließenden Hanglagen zuströmt und in der Ortslage zu potentiellen Schäden führt.

 

In Baden-Württemberg wird für Ortslagen ein 100-jährlicher Hochwasserschutz angestrebt. Nicht jede Maßnahme, die sinnvoll erscheint, genügt jedoch auch den Anforderungen an eine wirtschaftliche Machbarkeit. Für das Beispiel Hochwasserschutz be-deutet dies, dass eine Schutzmaßnahme nicht teurer sein darf, als der verhinderte Hochwasserschaden.

 

Das Hochwasserschadenspotenzial wurde hierzu hinreichend genau und mit vertretbarem Aufwand abgeschätzt und bewertet. Die vorliegende Nutzen-Kosten-Analyse orientiert sich u.a. an der Leitlinie „Festlegung des Bemessungshochwassers in Baden-Württemberg“ (LfU 2005) sowie der „Arbeitshilfe zur Bewertung von Hochwasserschutzmaßnahmen in Baden-Württemberg“ (Zeisler, Pflügner 2019). Die Bewertung der direkt bzw. einfach erfassbaren Schäden erfolgte mittels erstellter Schadensfunktionen.

 

Es wurde eine jährliche Schadenserwartung von rund 281.313,- €/a für den untersuchten Talgrabenabschnitt ermittelt.

 

Das Gutachten berücksichtigt die monetären Hochwasserwirkungen. Darüber hinaus bestehen allerdings Hochwasserwirkungen, die nicht monetarisiert sind bzw. werden. An erster Stelle ist hier die Gefährdung der Wohnbevölkerung zu nennen. Prosperitätsschäden also z.B. Schäden an Kultur- und Umweltgütern sind weitere Komponenten. Diese werden über sogenannte soziökonomische Zuschläge berücksichtigt. Somit wurde mit dem Wirtschaftlichkeitsnachweis eine wesentliche Teilbilanz einer sozioökonomischen Gesamtbetrachtung erarbeitet.

 

Für den Hochwasserschutz in Dettingen an der Erms kann nach den angewendeten Berechnungsverfahren ein Nutzen-Kosten-Verhältnis mit deutlich größer 1 für einen einheitlichen 100-jährlichen Hochwasserschutz abgebildet werden. Dies bedeutet, dass für alle vorgestellten Maßnahmen eine Wirtschaftlichkeit gegeben ist.

 

Die Vorzugsvariante umfasst im Wesentlichen die folgenden Maßnahmen:

 

-       die Errichtung eines Rückhaltebeckens uh. des Ortsteils Buchhalde,

-       die Anpassung der Sofortmaßnahme am Verdolungseinlauf der Verdolung „Hülbener Straße“,

-       die Teiloffenlegung der Verdolung „Hülbener Straße“,

-       den Neubau eines Durchlasses „Hülbener Straße“,

-       die Anpassung des Gewässerverlaufs nach der Verdolung „Hülbener Straße“,

-       den Neubau des Stegs „Tennisplätze“ und

-       einer Verwallung zwischen der Fußgängerbrücke und der Brücke „Uferweg“ sowie

-       den Neubau der Brücke „Uferweg“.

 


 

Kommunales Starkregenrisikomanagement

(Auszug aus dem Erläuterungsbericht, IBH, August 2020)

 

Für die Gemeinde Dettingen an der Erms wurde ein Starkregenrisikomanagement durchgeführt. Es wurde das gesamte Gemeindegebiet untersucht.

 

Im Rahmen der hydraulischen Gefährdungsanalyse wurden umfangreiche Ortsbegehungen durchgeführt und ein zweidimensionales, instationäres hydraulisches Modell, welches alle maßgeblichen hydraulischen Strukturen enthält, erstellt. Anschließend wurden die zum Teil wild abfließenden Abflüsse im Untersuchungsgebiet simuliert und plausibilisiert. Die daraus entstandenen Überflutungskarten zeigen für das seltene, außergewöhnliche und extreme Abflussszenario die Abflusskonzentrationswege, die Fließgeschwindigkeiten sowie die Überflutungstiefen auf.

 

Es gibt über die gesamte Ortslage von Dettingen an der Erms verteilt Bereiche, die von starken Überflutungen betroffen sein können. Darunter sind häufig Straßen, welche bei extremen Niederschlägen als Flutungswege dienen. Die Bergstraße, Neuffener Straße und Gfällweg sowie die Burgstraße, Sulzweg, Hülbener Straße oder Metzinger Straße sind einige Beispiele hierzu. Die Gewässer sind innerorts häufig verdolt, wobei es am Ortsrand an den Einläufen z. T. zu Ausuferungen kommen kann. So beispielsweise am Lochbach, Krebsraben, Sulzbach, Talgraben oder Hirschlache.

 

Im Rahmen der Risikoanalyse hat am 22.01.2020 ein Workshop stattgefunden. Die vulnerablen Bereiche wurden dort mit dem Bürgermeister, den zuständigen Ver-waltungsmitarbeitern, der Feuerwehr Dettingen an der Erms, dem Bauhof, dem Forst und dem Ordnungsamt Dettingen an der Erms sowie dem LRA und dem Ing.-Büro Heberle genau analysiert und klassifiziert, um anschließend ein Handlungskonzept erarbeiten zu können. Zur Abschätzung möglicher Schäden durch Starkregen werden potenziell kritische Objekte und Infrastruktureinrichtungen in die Starkregengefahrenkarten eingezeichnet und eine erste Bewertung anhand der Fließtiefen und -geschwindigkeiten durchgeführt. Es ergaben sich 65 gefährdete Bereiche, die in 30 Risikosteckbriefen detailliert beschrieben wurden. Auf Basis dieser Objekte und Steckbriefe wurde eine Risikobewertung durchgeführt und darauf aufbauend Handlungsmaßnahmen abgeleitet.

 

Das erarbeitete Handlungskonzept umfasst sowohl bauliche / technische als auch organisatorische / administrative Maßnahmen.

 

-       Informationsvorsorge der Bürger, gewerbliche Betriebe, Forst- und Landwirtschaft

-       Aufnahme der Überschwemmungsflächen in Flächennutzungspläne und Bebauungspläne

-       Empfehlung eines Hochwasseralarm- und Einsatzplans evtl. mit der Einführung von FLIWAS 3 - Software und die Implementation des Alarmstufenmodells abgestimmt auf Dettingen an der Erms

-       Einrichtung von stationären Niederschlagsmessstellen

-       Installation von Objektschutzmaßnahmen an öffentlichen Gebäuden

-       Umsetzung baulicher Maßnahmen (Kleinrückhalteräume, Optimierung Verdolungseinläufe, Erstellung von Entwässerungsgräben)

Das Starkregenrisikomanagement von Dettingen an der Erms zeigt, dass eine Vielzahl von Überflutungen im Stadtgebiet aufgrund von Außengebietszuflüssen und sich auf versiegelten Flächen bildenden Abflüssen berechnet wurden. Bisher wurden vergangene Starkregenereignisse in Dettingen an der Erms nur wenig dokumentiert. Allerdings konnte die Freiwillige Feuerwehr aus Dettingen an der Erms Überflutungsbereiche bestätigen.

 

Mit den Starkregengefahrenkarten, der Risikoanalyse, dem Handlungskonzept und der parallel durchgeführten Flussgebietsuntersuchung für den Talgraben hat die Gemeinde Dettingen an der Erms nun ein wirksames Instrument, um die Bevölkerung zukünftig besser vor den Gefahren von Hochwasser- und Starkregenereignissen zu schützen. Weitergehend müssen bauliche Maßnahmen detailliert untersucht, geplant und umgesetzt werden. Maßnahmen zur besseren Katastrophenvorsorge, wie ein Hochwasseralarm- und Einsatzplan evtl. mit der ergänzenden Nutzung der Anwendung „FLIWAS“ komplettieren das Konzept.

 

 

Anlagen:

 

Flussgebietsuntersuchung Talgraben - Bestandsplan Überflutungsflächen

Flussgebietsuntersuchung Talgraben - Maßnahmenplan Hochwasser Variante 3 (Vorzugsvariante)

Starkregenrisikomanagement – Bauliche Maßnahmen 1

Starkregenrisikomanagement – Bauliche Maßnahmen 2

Starkregenrisikomanagement – Bauliche Maßnahmen 3


1. Die Ergebnisse der Flussgebietsuntersuchung Talgraben und des Kommunalen Starkregenrisikomanagements werden zur Kenntnis genommen.

2. Dem Handlungskonzept zum Hochwasserschutz wird grundsätzlich zugestimmt. Die Verwaltung wird beauftragt, die Umsetzung des Konzeptes vorzubereiten.


keine